Lesepredigten
Festgottesdienst zur "Orgeleinweihung"
Karfreitag_2025
Liebe Gemeinde,
Die großartige Musik von Johann Sebastian Bach zu den Evangelien-Erzählungen der Passion spricht für sich. Der Text ebenso, man könnte beides stehen lassen, unkommentiert.
Die Gefahr besteht allerdings, dass in uns der Eindruck entsteht oder verstärkt wird, die Passion Jesu sei ein unvermeidbarer Teil einer Dramaturgie, nach der dann als Höhepunkt die machtvolle Auferstehung folgt. Der Eindruck könnte entstehen, dank des Leidens und Todes Jesu sei nun ein für alle Mal die Macht des Todes gebrochen.
In diesem Jahr fällt Karfreitag in die Zeit des jüdischen Festes der Befreiung von ägyptischer Sklaverei, dem Pessach.
Dieses Fest kann aber spätestens seit dem Oktober 2023 mit dem Überfall auf Israel und all dem bis heute anhaltenden Leid nicht unbeschwert gefeiert werden.
Und es ist nicht der einzige Ort des Leidens in unserer Welt.
Die Macht des Todes und all seiner Helfer zu brechen, ist kein einmaliger Akt. Am Karfreitag sind wir Christen erinnert, was es heißt, sich als Ohnmächtiger den mächtigen Helfern des Todes entgegen zu stellen.
Jesus hat es vorgelebt als Messias ohne Macht. Wäre er ein Messias mit Macht gewesen, wie man beim Hören der Texte gerade des Johannesevangeliums mitunter glauben könnte, so wäre er nicht nur der Welt mit ihren Machtstrukturen verhaftet geblieben, sondern er hätte auch die Menschen nicht befreit.
Christen, die an einen allmächtigen Messias glauben, leben abhängig und trauen sich selbst oft nicht viel zu. Was richten wir schon aus, sagen sie resigniert. Gott wird es letztlich schon richten. So wird von Gottes neuer Welt nicht viel sichtbar, so kommt auch Gerechtigkeit nicht zustande, so werden andere nicht ermutigt.
Jesus war kein allmächtiger Messias, erst recht keiner, der leichtfüßig das Kreuz auf sich nahm.
Jesus war ein Mensch, der sich als Ohnmächtiger den Mächtigen in den Weg stellte.
In der Passion Jesu zeigt sich uns die grundlegende Wahrheit, dass es für Menschen kein Leben und keine Zukunft gibt, wenn es nicht immer wieder die Bereitschaft gibt, den Mächtigen zu widerstehen und sich an die Seite der Leidenden zu stellen, sich in Mitleidenschaft ziehen zu lassen.
Sich in Mitleidenschaft ziehen zu lassen, das heißt für das Leben, vor allem für das Leben anderer eintreten, das heißt damit auch Gegnerschaft ernten, nämlich Gegnerschaft derer, die sich mit ihrem Reichtum und der Armut anderer und letztlich mit dem Tod anderer abfinden.
Sich in Mitleidenschaft ziehen zu lassen, den Mächten zu widerstehen, dazu waren die Jünger Jesu nicht bis zur letzten Konsequenz bereit.
Am Ende war Jesus verlassen, verlassen von Menschen.
Bis zum heutigen Tage ist Jesus verlassen, immer dann wenn Mitleiden den Leidenden versagt, Solidarität den Opfern verwährt wurde.
Die Geschichte der Christenheit ist beredtes Zeugnis dafür und das Johannesevangelium hat oft genug auch eine Vorlage geboten, dass Christen sich nicht mit an die Seite gerade ihrer leidenden jüdischen Schwestern und Brüdern stellten, sondern im Gegenteil zum Leid und Tod beitrugen.
Denn nicht pauschal die Juden waren es, wie es bei Johannes heißt, die da riefen „kreuzige ihn“, sondern es war die jüdische Obrigkeit, denen der Jude Jesus ein Dorn im Auge war, es waren jene, die um ihren Einfluss fürchteten, die am Unrecht verdienten.
Das dürfen wir nicht übersehen, wenn wir heute die Passionsgeschichte nach Johannes hören.
Und so sollte die Folge unseres Glaubens in Anbetracht unserer Geschichte sein: dass wir nicht vergessen, sondern erinnern, dass wir nicht flüchten, sondern standhalten gegenüber menschenverachtenden Kräften.
Und wir können Menschen sein, die letztlich auch in ihrer Ohnmacht auf Gott vertrauen, so wie Jesus auf Gott vertraute, denn, so hat es Matthäus in seiner Passionsgeschichte erzählt, ruft Jesus im Sterben nicht irgendetwas, oder schwieg gar, nein er rief zu Gott mit den Worten des 22. Psalms: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Wenn einer das ruft, dann vertraut er dass der Angerufene hört.
Darauf will auch ich vertrauen, daran glaube ich. Amen.