Quasimodogeniti_2025
Liebe Gemeinde!
Ein neues Lied, ein besseres Lied,
o Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein,
und wollen nicht mehr darben;
verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
was fleißige Hände erwarben.
Es wächst hienieden Brot genug
für alle Menschenkinder,
auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
und Zuckererbsen nicht minder.
Ja, Zuckererbsen für jedermann,
sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
den Engeln und den Spatzen.
... das ist Heinrich Heines Bekenntnis, seine Antithese auf das real existierende Christentum des
19. Jahrhunderts.
Mit Sarkasmus dichtet Heine: Ein kleines Harfenmädchen sang.
Sie sangen vom irdischen Jammertal,
von Freuden, die bald zerronnen,
vom Jenseits, wo die Seele schwelgt
verklärt in ewgen Wonnen.
Sie sangen das alte Entsagungslied,
das Eiapopeia vom Himmel,
womit man eingelullt, wenn es greint,
das Volk, den großen Lümmel.
Heine konnte sie nicht mehr hören, sie, die von den Kanzeln Wasser predigten und heimlich Wein tranken, sie, die mit der Macht verflochten, Gerechtigkeit verhinderten, sie, die aus dem Evangelium der Armen einen Trostpsalm für bessere, sprich jenseitige Zeiten machten.
Und ein Text, wie der heutige Predigttext provoziert geradezu Widerstand.
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, 4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch, 5 die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereitet ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.
Es ist ein Lobpreis Gottes im Grunde aus einem einzigen Satz bestehend – eine Dichtung, ein Lied und doch ein ganz anderes, als das H. Heines, eines, zu dem er seinen Gegenentwurf gedichtet hat. Ein Gegenentwurf, weil Christen mit der Verheißung zukünftiger himmlischer Freuden dazu aufgerufen werden, ihr gegenwärtiges irdisches Leiden hinzunehmen, ja sogar als eine von Gott verhängte Bewährung ihres Glaubens zu begreifen.
V6: .. die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtung auf dass euer Glaube bewährt wird.
Und weiter: ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher Freude wenn ihr das Ziel eures Glaubens erreicht, das Heil.“
Klingt hier nicht geradezu das alte böse Lied vom Eiapopeia vom Himmel, vom Jenseits, wo die Seele schwelgt an? Jenes Lied, das aus Christen willfährige Untertanen macht, die sich anpassen, alles geschehen und sich auf bessere Zeiten vertrösten lassen?
Der Brief des Petrus, es ist zumindest kein Brief an willfährige Untertanen, sondern an bedrängte Menschen, die sich als Minderheit in einer Welt von andersgläubigen sehen.
Vielleicht war er als Trostwort gemeint, zumindest aber will er tatsächlich zu einer lebendigen Hoffnung ermutigen durch die Auferstehung Jesu. Das heißt nichts anderes, als das der Tod, die Kräfte des Todes nicht das letzte Wort behalten werden.
Eine Hoffnung, die Heine freilich in seiner Umwelt 1844 nicht mehr gesehen hat, eine Hoffnung, die ihm zu klein war, zu unscheinbar, vielleicht auch zu fern. Und fern ist die Hoffnung auf Heil, auf unaussprechliche Freude denen, die in unsagbarer Armut, in Hunger und in Ängsten leben müssen. Fern ist die Hoffnung oft in Menschen, die sich als Minderheit vielleicht gerade noch geduldet, zumindest aber beargwöhnt sehen.
Den Juden ging es durch alle Zeiten hindurch an den meisten Orten der Welt so. Und an den tragischen Gipfel der Judenfeindlichkeit und der daraus folgenden Vernichtung wurde in dieser Woche, in der wir in österlicher Stimmung sind in Israel erinnert:
Am 24. April stand in Israel für zwei Minuten alles still.
Eigentlich müsste die ganze Welt für einen Moment still stehen um sich an all die Verbrechen gegen Menschlichkeit zu erinnern, von denen gewiss das Verbrechen an den Juden das größte ist.
- wird die Predigt hier schon wieder politisch? Julia Glöckner würde es wohl kritisieren.
Da kann ich nur entgegnen, ja, Predigt und Evangelium sind prinzipiell politisch, auch seelsorgerlich, auch diakonisch, auch missionarisch, aber immer politisch, wenn ich nicht die Parteinahme Jesu für die Schwachen und Ausgegrenzten seiner Zeit ausblenden will.
Und so ahne ich, wie es wohl Jesus ging, damals auf seinen Wanderungen durch die Städte Judäas und Galiläas, vorbei an den Siedlungen der Aussätzigen, vorbei an den entgegengestreckten Händen der blinden Bettler, vorbei an den gelähmten Menschen, die jede Hoffnung verloren haben. Wie ging es Jesus in Anbetracht der Superreichen, in Anbetracht der Steuereintreiber und Geldwechsler.
Nun es ist uns auch all das Leid gegenwärtig- Und manchmal, da fühle auch ich die Ohnmacht in mir hochsteigen, nichts gegen Verdummung und Hirnwäsche und all die daraus resultierneden Folgen ausrichten zu können.
Und so möchte ich all jenen Geschlagenen, den Schwachen, Armen und Hoffnungslosen gegenüber niemals leere Worte, kein Eiapopeia auch kein Versprechen eines Himmels auf Erden predigen, wohl aber einer neuen Welt Gottes.
Und das wollte Jesus gewiss auch nicht.
So wurde er für einige zum Himmelsboten, zum Himmelszeichen, zum Retter, zum Erlöser.
Nicht indem er eine Revolution entfachte, er war kein Revolutionär.
Auch nicht indem er für ein politisches Amt kandidierte, er war kein Politiker.
Allein in dem er sich Menschen zuwandte, mit einer liebenden heilvollen Berührung, mit einem heilvollen Wort, einer ermutigenden Rede, denn er war ein Liebender und einer, der mit der neuen Welt Gottes verbunden war.
Aber woher nahm er die Kraft zum Lieben, woher die Energie zum Hoffen?
Wie kommt es, daß Menschen von dieser Hoffnung angesteckt wurden, dass schließlich Petrus dieses Loblied auf Gott schrieb, der uns wiedergeboren hat?
Wie kommt es, dass so viele Menschen auch in Ausweglosigkeit sich nicht aufgaben.
Vor 80 Jahren im April 1945, kurz vor Kriegsende wurde der Evang. Pastor Dietrich Bonhoeffer von den Nazis in Flossenburg ermordet.
Kurz vor seinem Tod kniete er in seiner Zelle und betete zu Gott, hoffte immer noch etwas, erwartete noch etwas.
Ist das nicht verrückt?
Ja, es ist verrückt - Gott ist der Verrückende in unserem Leben. Daran glaubte Bonhoeffer.
Während in Jerusalem und überall in Israel für zwei Minuten die Welt still steht …. in Erinnerung an die Schoa, sehe ich staunend junge Jüdinnen und Juden mit ihren Eltern nund Großelteren, Überlebenden der Schoa in Auschwitz nein nicht schweigend verharren, sondern dem Leben zugewandt demonstrieren, gar tanzen.
Tanzen auf den Gräbern- ja, der Tod kann uns nicht schrecken und ein gutes neues Leben, das wir haben ist unsere Rache an den Vernichtern von Auschwitz, so sagte es eine Auschwitzüberlebende.
Das scheint schon verrückt und doch ja, kann ich das verstehen und finde es großartig, wozu Menschen die Kraft haben. Keinen Hass, sondern Lebensfreude als Reaktion auf den Hass der einstigen Vernichter.
Ich glaube in solchen Momenten ist etwas von der welt- und lebenserneuernden Kraft Gottes zu spüren.
Im Zweifelsfall muss man dem Rat Jesajas folgen: Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Schaut in den Himmel, schaut in die Geschichte Jakobs oder schaut auch auf die Felder auf denen es wächst.
Liebe Gemeinde, wer ein einziges mal ein Samenkorn gesät und erlebt hat, was daraus wächst, wer ein einziges mal einen Menschen erlebt hat, bei dem keine Veränderung mehr möglich schien und der zu einem neuen Lebensanfang kam, wer ein einziges mal die Kraft der Liebe selbst erfahren hat, und wer das in seiner Seele bewahrt, der hat immer wieder die Kraft zu Lieben und zu hoffen.
Ich glaube, Jesus hatte die Gabe in einzigartiger Weise sensibel und aufmerksam für kleinste Veränderungen zu sein und die Kraft der Hoffnung und Liebe zu entfalten.
Wir wissen, daß seine Hoffnung und Lebenskraft so groß war, daß mit dem Tod nicht alles vorbei war, sondern im Gegenteil etwas ganz Neues begann.
Mancher war noch skeptisch, wollte es nicht glauben, so der ungläubige Thomas, bis er an jenem Abend begriff: die Wunden, die Verletzungen, das Leid ist spürbar, aber auch die Lebenskraft.
Von außen musste Thomas und den anderen etwas lebenspendendes widerfahren.
Und das ist wohl das entscheidend Verschiedene zu H. Heines Erfahrung, daß die Jünger, daß Petrus, der Briefschreiber, daß Christen diese Erfahrung, gemacht haben, daß es Gott gibt, der für die lebendige Hoffnung einsteht. Und davon möchte ich reden und Lieder singen! Und der Friede Gottes...