Quasimodogeniti_2024
Predigt zu Johannes 20, 19ff
Liebe Gemeinde!
Zu Beginn Schilderung von drei Begebenheiten:
1. Begebenheit
Kaum jemand hat das gesehen, was sie an jenem Sonntagmorgen gesehen hat. Es war auf dem Weg zum Friedhof. Die Ampel zeigte rot. Es kam zwar kein Auto, doch sie blieb stehen, erst bei Grün wollte sie die Straße überqueren. Da schaute sie unvermittelt zum Himmel. Die trüben Wolken rissen gerade in diesem Augenblick auf und ein Sonnenstrahl traf sie. Es war so blendend hell, dass sie zu Boden schauen musste. Aber auch da sah sie diesen Sonnenstrahl sich in der Pfütze spiegeln und sie hat es genau gesehen. Es war ein Finger, der ihr den Weg wies hin zum Friedhof. Das war nur ein Augenblick. Verwirrt ging sie los obwohl die Ampel noch nicht Grün leuchtete. Am Friedhof, am Grab ihres geliebten Freundes angekommen saßen zwei Schmetterlinge auf dem frisch aufgeworfenen Erdhügel. Schmetterlinge am ersten Aprilwochenende – das gab es noch nie, dachte sie. Und da wusste sie. Es war ein Zeichen, ein unmissverständliches Zeichen, dass Gott ihn auferweckt hat, verwandelt zu neuem Leben. Jetzt gab es für sie keinen Zweifel mehr.
2. Begebenheit
Es war eine kleine Pressemitteilung, die er als Leiter des Archeologenteams herausgab. Denn sicher konnten sie nicht sein. Niemals. Aber wenn etwas daran wäre an diesem Fund, zumal an diesem Ort, es wäre die Sensation seit 2000 Jahren. Akribisch untersuchen sie die Fundstelle weiter. Alles ist weiträumig abgesperrt. Die ersten Fundstücke, Gebeine und eine steinerne Tafel könnten untrüglich darauf hinweisen, dass es sich um die bedeutendste Grabstelle der Christenheit handelt. Nicht wie vermutet in Jerusalem am Ölberg, nein, im heutigen Gaza. Wie das Grab dort hinkam, ist noch im Dunkeln. Auf jeden Fall sind die Gebeine nach erster Untersuchung mit der C14- Radiokarbonmethode ca. 2000 Jahre alt. Aber noch untrüglicher ist das steinerne Schild mit der Inschrift INRI. Wieso eine steinerne Inschrift und warum das Grab so weit entfernt vom Ölberg. Das kann nur eine Fälschung sein. Aber selbst, wenn, hielt das etliche Fanatiker nicht ab, ihm und seinem Grabungsteam übelste Beschimpfungen in den sozialen Medien zu schreiben und sogar vor Morddrohungen nicht zurück zu schrecken.
3. Begebenheit
24 Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25 Da sagten die anderen Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben. 26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! 27 Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Liebe Gemeinde,
natürlich sind die ersten beiden erzählten Begebenheiten von mir völlig frei erfunden, wenngleich die erste durchaus Ähnlichkeiten haben kann mit Momenten die wir alle kennen: Ein zufälliges Ereignis, das wir als Zeichen deuten. Für manche Menschen allerdings sind auch Zufälle keine Zufälle, sondern Vorherbestimmungen. Aus solchen gedeuteten Zeichen verstärkt mitunter sich ein Glaube oder entsteht gar erst der Glaube.
Darum sollen solche Momente nicht geringgeschätzt werden, ich mag sie aber auch nicht überbewerten.
Für alle, die noch nie etwas von Glauben, gar vom Glauben des Christentums gehalten haben, würde ein Fund wie in der zweiten ausgedachten Begebenheit Wasser auf ihre Mühlen sein.
All jene, die ihren Glauben durch die Schilderung des leeren Grabes aus den bekannten Ostererzählungen bestätigt sehen, würden ihren Glauben plötzlich bedroht erleben.
Nun zum Glück sind beide erste Begebenheiten nur ausgedacht. Und die dritte, jene, die heute als Evangelium zu bedenken ist, wurde von Johannes aufgeschrieben, vermutlich Anfang des zweiten Jahrhunderts. Diese Schilderung nach der sich die Jünger am ersten Tag der Woche trafen, ist wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass sich in der urchristlichen Gemeinde Anfang des zweiten Jahrhunderts bereits die Sonntagstradition des Zusammenkommens in der Gottesdienstgemeinde etabliert hatte.
Diese sonntägliche neu entstandene Gottesdienstpraxis überträgt Johannes in seine Erzählung. Und er nimmt Thomas, von dem er an anderer Stelle bereits berichtet, in diese Erzählung auf. Thomas ist hier der Skeptiker mit dem dringenden Wunsch eines fühlbaren Beweises:
Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben.
Nun wird dem Leser vor Augen geführt, dass Jesus diesem Begehren nach einem Beweis nachkommen kann. Für Thomas aber ist es in diesem Auenblick nicht mehr nötig. Ihm reicht, Jesus in ihrer Mitte zu sehen, zu erfahren und ihm reicht das Wort Jesu: sei nicht ungläubig, sondern gläubig.
Statt sich körperlich, handgreiflich zu überzeugen antwortet Thomas:
Mein Herr und mein Gott!
Dieses Christusbekenntnis ist der zentrale Punkt auf den Johannes hinaus will.
Jesus, der auf der Seite Gottes steht, von Anfang an von Gott kam.
So beginnt das Johannesevangelium: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
So ist das Bekenntnis zu Christus der Anfang und der Schluss des Evangeliums.
Um dieses Bekenntnis zu verstärken, ein Bekenntnis, das sich nicht auf körperliche Beweise stützt und im Grunde keine Zeichen und Wunder bedarf, sondern allein den Glauben an den allgütigen und gegenwärtigen Gott, darum hat Johannes diese Erzählung erstellt.
Es ist eine Erzählung in der Thomas als Prototyp des zweifelnden Menschen mir das eigene Zweifeln vor Augen führt.
Auch ich habe Zweifel. Nein nicht so, wie Thomas. Ich brauche keinen körperlichen Beweis für die Existenz des Auferstandenen. Und selbst wenn das Grab Jesu heute gefunden werden würde und zweifelsfrei nachgewiesen werden könnte, dass darin die Gebeine des Gekreuzigten sind, würde es meinen Glauben an die Auferstehung nicht erschüttern.
Ich glaube an die Zusage Gottes, an Gottes Ja zu meinem und unser aller Leben über die Zeiten hinaus.
Zweifel habe ich eher, ob das alles, was wir verkünden, nämlich einen liebenden Gott, Vergebung, Verzeihen, Annahme, Rechtfertigung, Nächstenliebe, ob das etwas austrägt.
Umso wichtiger sind mir Auferstehungserzählungen auch die über den Zweifler, denn es sind allesamt Erzählungen, die Menschen ermutigen, trotz allem das Leben neu zu sehen, scheinbar schicksalhaftes nicht als unveränderliches hinzunehmen, sich nicht zurückzuziehen und einzuschließen, sondern hinaus zu gehen und zu verkündigen und zu tun, was zu tun ist, so dass Gottes neue Welt ab und an sichtbar wird, durchleuchtet in unseren Alltag, wie ein Sonnenstrahl durch graue Wolken.
- Die das tun,
Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler,
dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie wandeln und nicht müde werden.
Amen.